Aktualisiert: 06.06.2024
Lesedauer: 6 min.
Medikamentenrückstände im Trinkwasser sind ein unsichtbares Problem, das uns alle betrifft.
Per Zufall wurde in den 1990er-Jahren das erste Arzneimittel in deutschen Gewässern nachgewiesen. Bei einer Untersuchung auf Pflanzenschutzmittelrückstände stieß man im Berliner Grundwasser auf Clofibrinsäure, Rückstände eines Medikaments zur Senkung des Cholesterinspiegels.
Seit diesem Fund ist das Thema Arzneimittelrückstände im Wasser zunehmend in den Fokus von Wissenschaft und Behörden gerückt.
Heute werden Medikamentenrückstände im Rahmen der Gewässerüberwachung der Bundesländer regelmäßig gemessen und sind nahezu flächendeckend in Oberflächengewässern zu finden.
Doch wie gelangen Medikamentenrückstände ins Wasser? Und stellen sie ein Risiko für unsere Gesundheit dar?
In diesem Artikel erfährst du, welche Medikamentenrückstände im Wasser nachgewiesen wurden und welche Gefahren sie bergen.
Außerdem erklären wir, warum Arzneistoffe eine große Herausforderung für Kläranlagen darstellen und warum dieses Problem in Zukunft noch zunehmen könnte.
Wir bei Riva Systemtechnik entwickeln und produzieren hochwertige Wasserfilter-Systeme, um die Wasserqualität in deinem Zuhause zu verbessern und dich vor Schadstoffen im Trinkwasser zu schützen. Unsere Wasserfilter sind “Made in Germany” und von unabhängigen Laboren zertifiziert.
Das Wichtigste zusammengefasst:
- Medikamentenrückstände gelangen hauptsächlich über den Urin von Menschen und Tieren sowie unsachgemäße Entsorgung von Arzneimitteln ins Wasser. Kläranlagen sind derzeit nicht in der Lage, diese Rückstände vollständig zu entfernen.
- Arzneimittelrückstände, insbesondere hormonaktive Substanzen, sind bereits in kleinen Mengen potenziell gefährlich. Es fehlen jedoch umfassende Studien zu den Langzeitfolgen dieser Substanzen.
- Derzeit gibt es keine festgelegten Grenzwerte für Rückstände von Arzneimitteln in der deutschen Trinkwasserverordnung.
- Mit der demografischen Entwicklung wird der Verbrauch von Medikamenten und damit die Belastung der Wasserressourcen weiter steigen
Welche Arzneimittelrückstände sind im Wasser nachgewiesen worden?
In Deutschland wird der Jahresverbrauch an Humanarzneimitteln auf etwa 30.000 Tonnen geschätzt, die rund 2.300 verschiedene Wirkstoffe umfassen.
Wissenschaftler haben einige dieser Medikamentenwirkstoffe im Wasserkreislauf nachgewiesen: Beispielsweise wurden bei einer Studie in der Stadt Dülmen 88 Arzneimittelrückstände, Röntgenkontrastmittel und Hormone im Zu- und Ablauf von Kläranlagen gefunden.
Rückstände der folgenden Arzneimittel wurden bereits im Wasser nachgewiesen:
- Diclofenac: Ein weitverbreitetes Schmerzmittel, das nur teilweise im Körper abgebaut wird und zu erheblichen Umweltbelastungen führt.
- Carbamazepin: Ein Antiepileptikum, das aufgrund seiner chemischen Stabilität häufig in Gewässern zu finden ist.
- Ibuprofen: Ein gängiges Schmerzmittel, das ähnlich wie Diclofenac in die Umwelt gelangt.
- Ethinylestradiol: Ein Hormon aus Antibabypillen, das in sehr geringen Konzentrationen schon erhebliche Auswirkungen auf den menschlichen Hormonhaushalt und Wasserorganismen haben kann.
- Sulfamethoxazol: Ein Antibiotikum, das ebenfalls häufig in Gewässern nachgewiesen wird und zur Resistenzentwicklung bei Bakterien beitragen kann.
Große Umweltbelastung durch Schmerzmittel “Diclofenac”
Diclofenac, das häufig in gelartigen Schmerzsalben verwendet wird, zeigt exemplarisch die Herausforderungen mit Arzneimittelrückständen.
In Deutschland werden jährlich etwa 80 Tonnen dieses Wirkstoffs verbraucht. Insbesondere bei der Verwendung von Diclofenac-Gel gelangt ein Großteil des Wirkstoffs in die Umwelt: Nur etwa 4 Prozent der Salbe wird nach dem Auftragen von der Haut aufgenommen.
Die restlichen 96 Prozent der Salbe werden beim Händewaschen, Duschen oder Waschen der Kleidung ins Abwasser gespült und gelangen so in den Wasserkreislauf.
Es gibt aber noch weitere Eintrittswege von Medikamentenrückständen in das Trinkwasser, die wir im nächsten Abschnitt erklären.
Wie kommen Medikamentenrückstände ins Trinkwasser?
Rückstände im Urin von Menschen und Tieren
Der menschliche Körper baut Medikamente nicht vollständig ab, wodurch diese Substanzen über den Urin in das Abwassersystem gelangen.
Die Abwässer von Krankenhäusern stellen eine der stärksten Quellen für Arzneimittelrückstände dar, wie Wissenschaftler der HyReKA Studie (Hygienisch-medizinische Relevanz und Kontrolle Antibiotika-resistenter Krankheitserreger) der Universität Bonn herausgefunden haben.
Auch die Veterinärmedizin trägt zur Kontamination des Wassersystems bei. In der Intensivhaltung werden insbesondere Antibiotika eingesetzt.
Im Jahr 2022 wurden allein 540 Tonnen Antibiotika von Pharmafirmen an Tierärzte verkauft. Rückstände der Antibiotika und weiterer Medikamente gelangen über den Mist, der als Dünger auf Feldern ausgebracht wird, in den Wasserkreislauf.
Falsche Entsorgung von Arzneimitteln
Eine weitere bedeutende Ursache für Medikamentenrückstände im Wasser ist die unsachgemäße Entsorgung von Medikamenten.
Viele Menschen entsorgen abgelaufene oder nicht benötigte Arzneimittel über die Toilette oder das Waschbecken. Diese Medikamente gelangen direkt in das Abwasser und letztlich in die Kläranlagen.
Rückstände in Produktions- und Prozessabwasser
In geringerem Umfang tragen auch Produktions- und Prozessabwässer, beispielsweise aus Schlachthöfen, zur Belastung mit Medikamentenrückständen bei.
In Deutschland gilt die Belastung durch Antibiotikarückstände aus diesen Quellen zwar als gering, dennoch ist sie nicht zu vernachlässigen.
Eine Pilotstudie zur globalen ökologischen Nachhaltigkeit in der Antibiotikaversorgung, durchgeführt unter der Federführung der AOK Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit dem IWW Rheinisch-Westfälisches Institut für Wasserforschung, zeigte eine erhebliche Kontamination von Produktionsabwasser und umliegenden Gewässern mit antibiotischen Wirkstoffen.
Für diese Studie wurden Proben an zehn Standorten in Europa und Indien entnommen. Die höchste Überschreitung in einem Gewässer wurde für das Antibiotikum Azithromycin gemessen: Die Rückstände im Wasser überstiegen den Schwellenwert um über 1.600.000 Prozent.
Das Problem mit Kläranlagen
Nun könnte man denken, dass das Abwasser mitsamt den Rückständen in die Kläranlagen fließt und Medikamentenrückstände aus dem Wasser entfernt werden, bevor es in den Wasserkreislauf zurückgeführt wird.
Das Problem ist, dass Kläranlagen derzeit noch nicht in der Lage sind, Medikamentenrückstände vollständig aus dem Wasser zu entfernen.
Aktuell erfolgt die Wasseraufbereitung in Kläranlagen in drei Reinigungsstufen: mechanisch, biologisch und chemisch. Laut Umweltbundesamt müssten Kläranlagen flächendeckend um eine vierte Reinigungsstufe erweitert werden, um Medikamentenrückstände zuverlässig aus dem Wasser entfernen zu können.
Diese Reinigungsstufe würde durch Oxidation mit Ozon oder Adsorption an Aktivkohle die Effizienz von Kläranlagen bei der Entfernung von Medikamentenrückständen deutlich verbessern.
Allerdings müssen Bund und Länder hierfür erhebliche Investitionen aufbringen und umfassende Anpassung der bestehenden Infrastrukturen vornehmen.
Sind Medikamentenrückstände im Trinkwasser gefährlich?
Die Forschung zur Gesundheitsgefahr durch Medikamentenrückstände im Trinkwasser ist derzeit noch unzureichend. Allerdings gibt es bereits einige Studien zu den Auswirkungen von Medikamentenrückständen auf Fische und andere aquatische Lebewesen. Diese Untersuchungen zeigen dramatische Effekte, wie beispielsweise hormonelle Störungen und reduzierte Fruchtbarkeit der Fische.
Auch für den Menschen können Medikamente mit hormonaktiver Wirkung bereits in extrem kleinen Dosen ein Risiko darstellen, wenn sie unbeabsichtigt über das Trinkwasser aufgenommen werden. Weitere Informationen zu Hormonen und deren Auswirkungen findest du in unserem Ratgeber „Hormone im Trinkwasser”.
Als besonders besorgniserregend gelten Antibiotikarückstände im Wasser, da sie zur Entwicklung von Antibiotikaresistenzen beitragen. Das kann dramatische Folgen haben: Sobald Bakterien resistent werden, verlieren Antibiotika ihre Wirksamkeit.
Allerdings gibt es bislang noch keine umfassenden Erfahrungen mit der Langzeitaufnahme kleiner und größerer Medikamentenmengen im Trinkwasser und deren möglichen Spätfolgen. Daher sind weitere Forschungen und Studien zu Langzeitwirkungen und Kombinationseffekten solcher Substanzen notwendig, um das Gefahrenpotenzial und die Risiken besser abschätzen zu können.
Grenzwerte für Medikamentenrückstände
In Deutschland gibt es derzeit noch keine Grenzwerte für Medikamentenrückstände im Trinkwasser.
Jedoch wird EU-weit eine EU-Watch-List (Beobachtungsliste) geführt. Auf dieser Liste stehen Substanzen, die potenziell ein Risiko für die Gesundheit darstellen, für die jedoch gleichzeitig noch nicht genügend Monitoringdaten vorliegen, um verbindliche Normen festzulegen.
Für diese Stoffe werden in einem Messprogramm Daten zum Vorkommen im Wasser und den Auswirkungen auf Mensch und Umwelt gesammelt.
Aktuell stehen unter anderem das Schmerzmittel Diclofenac, die hormonell wirksamen Stoffe Östron (E1), 17-beta-Östradiol (E2) und 17-alpha-Ethinylöstradiol (EE2) sowie die Makrolid-Antibiotika Azithromycin, Clarithromycin und Erythromycin unter Beobachtung. Die Liste der beobachteten Stoffe auf der EU-Watch-List wird regelmäßig aktualisiert.
Fazit: Arzneimittelrückstände im Trinkwasser
Aktuelle Studien in Deutschland belegen, dass viele Arzneimittelrückstände in Oberflächengewässern, Grundwasser und Trinkwasser nachweisbar sind.
Wissenschaftler prognostizieren, dass sich der Verbrauch von Humanarzneimitteln bis 2045 um bis zu 70 % erhöhen wird – mit erheblichen Auswirkungen auf die Belastung der Wasserressourcen.
Die langfristigen Folgen und Kombinationseffekte von Medikamentenrückständen im Trinkwasser sind noch nicht vollständig erforscht.
Grundsätzlich sollte die Medikamentenbelastung im Trinkwasser so gering wie möglich gehalten werden. Daher fordert das Umweltbundesamt die Einführung einer vierten Reinigungsstufe in Klärwerken. In dieser Stufe sollen Schadstoffe durch Ozon unschädlich gemacht oder mithilfe von Aktivkohle aus dem Wasser gefiltert werden.
Bislang verfügen vereinzelte Kläranlagen in Deutschland über diese Reinigungsstufe, weshalb Medikamentenrückstände in den meisten Regionen Deutschlands im Trinkwasser bleiben. Beispielsweise wurde im Jahr 2023 das erste Klärwerk in Hessen mit einer vierten Reinigungsstufe in Betrieb genommen.
Bis zur flächendeckenden Aufrüstung der Kläranlagen gibt es zwei Wege, das Risiko durch Medikamentenrückstände im Trinkwasser zu reduzieren: Zum einen kannst du durch die richtige Entsorgung von Medikamenten dazu beitragen, dass weniger Arzneimittel in das Wassersystem gelangen.
Informationen zur richtigen Entsorgung in deiner Region findest du auf der Website Arzneimittelentsorgung.de.
Zum anderen kannst du dich vor Medikamentenrückständen und anderen Schadstoffen im Trinkwasser schützen, indem du einen hochwertigen Wasserfilter mit Aktivkohle in deinem Haushalt einbaust.
In unserem Ratgeber “Medikamentenrückstände aus Wasser filtern” erklären wir, welche Wasserfilter dazu in der Lage sind und wie Arzneimittelrückstände im Trinkwasser minimiert werden.
FAQ: Arzneirückstände im Trinkwasser
Sind Medikamentenrückstände im Trinkwasser?
Ja, Medikamentenrückstände können im Trinkwasser nachgewiesen werden. Laut dem Umweltbundesamt gelangen insbesondere Humanarzneimittel über Abwässer in die Kläranlagen, wo sie oft nicht vollständig entfernt werden (Umweltbundesamt). Rückstände finden sich dann in Flüssen, Seen, im Grund- und schließlich im Trinkwasser.
Über den Autor
Frieder Korat ist Geschäftsführer der Riva Systemtechnik GmbH und Experte für hochwertige Wasserfiltersysteme. Gemeinsam mit seinem Team entwickelt er innovative Lösungen für sauberes Wasser in Privathaushalten, Gewerbebetrieben und medizinischen Einrichtungen.
Du hast eine Frage? Dann ruf uns gerne an und wir finden gemeinsam eine passende Lösung für dich!
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Quellen:
- Ärzteblatt: Arzneimittel in der Umwelt: Natur als Medikamentendeponie
- Ärzteblatt: Arzneimittelrückstände im Wasser: Vermeidung und Elimination
- Ärztekammer Nordrhein: Arzneimittel im Wasser
- Ärztekammer Nordrhein: Arzneimittel im Wasser: Gefahr für Mensch und Tier
- Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Gesundheitliche Bewertung von Arzneimittelrückständen
- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMUV): Nationale Wasserstrategie
- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMUV): Umweltauswirkungen unterschiedlicher Medikamente
- BUND: Bewertung hormonaktiver Substanzen
- BUND: Hormonaktive Substanzen und Arzneimittel
- Civity Management Consultants: Arzneimittelverbrauch im Spannungsfeld des demografischen Wandels
- Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA): Medikamente und Spurenstoffe
- European Environment Agency (EEA): Pharmaceuticals in the environment
- Europäische Kommission: Water Quality Standards
- Gesundheitsamt Bremen: Arzneimittel im Trinkwasser
- Heil-Lasten: Arzneimittelrückstände in Gewässern. (2006). Deutschland: Springer.
- IWW Rheinisch-Westfälisches Institut für Wasserforschung: Antibiotikaresistenzen – Studie zeigt hohen Handlungsdruck
- Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW): Arzneimittel
- NDR: Medikamentenrückstände im Wasser – Eine Gefahr?
- Umweltbundesamt: Arzneimittel in der Umwelt, vermeiden, reduzieren, überwachen
- Umweltbundesamt: Arzneimittelwirkstoffe – EU-Watch-List und nationale Beobachtungsliste
- Welt.de: Arzneimittelrückstände als Gefahr für die Umwelt
- World Health Organization (WHO): Pharmaceuticals in Drinking-water